Als Banker betreute ich einen Kunden, mit dem ich mich persönlich sehr gut verstand. Er empfahl mich in seinem Netzwerk weiter und so konnte ich nach und nach neue Kunden gewinnen. Eines Tages fragte er mich, wann er denn dafür seine Vermittlerprovision erhalten würde. War ich einfach naiv oder hatte ich ein anderes Verständnis von Reziprozität?
«Christian, eine Hand wäscht doch die andere».
Nein, es geht auch anders und warum das nur Vorteile mit sich bringt, möchte ich Dir in diesem Beitrag zeigen. Interessiert? Dann lass uns gleich einsteigen.
Reziprozität ist Bestandteil unseres Lebens
Wörtlich übersetzt heißt «Reziprozität» so viel wie «Gegenseitigkeit». Kennst Du das noch von früher? Du wurdest auf eine Party eingeladen und hast Dich, auch wenn Du dazu eigentlich gar keine Lust hattest, «genötigt» gefühlt diese Person ebenfalls auf Deine Party einzuladen. Das Prinzip der Reziprozität ist in vielen Bereichen unseres Lebens präsent und hat sogar Einzug in zahlreiche Sprichwörter, Redewendungen und in unserem täglichen Sprachgebrauch gefunden:
Auch viele Wirtschaftszweige beruhen auf dem Prinzip der Reziprozität wie zum Beispiel das Vertriebs- oder Handelsgeschäft. Schlussendlich handeln viele Menschen auch im geschäftlichen Umfeld nach dem Prinzip: «Den ruf ich jetzt an, der schuldet mir noch einen Gefallen».
Du siehst, wir alle sind von Reziprozität und ihrer Auswirkung umgeben und werden tagtäglich damit konfrontiert. Die Frage, die ich mir stelle, ist, ob es nicht auch einen anderen Weg gibt, um mit diesem Thema umzugehen.
Warum sollten wir dieses Verhalten hinterfragen?
Leider sind viele heute nur auf ihren eigenen Vorteil aus. Persönlich empfinde ich es im (Geschäfts) Leben oft als befremdlich, dass man immer und für alles eine Gegenleistung erwartet. Um es gleich vorwegzunehmen, mich stört dieser Ansatz und ich empfinde diesen als grundsätzlich falsch. Für mich geht es bei Reziprozität in erster Linie darum, etwas für mein Gegenüber zu tun, ohne dafür aktiv eine Gegenleistung zu fordern oder unterbewusst zu erwarten. Außerdem mag ich diese «Abhängigkeit» nicht, jemandem einen Gefallen zu «schulden» oder in jemandes Schuld zu stehen.
Komischerweise können viele Menschen schlecht damit umgehen, wenn man ihnen «einfach so» einen Gefallen tun. Wir sind schon so konditioniert, uns automatisch verpflichtet zu fühlen, für jede noch so kleine Gefälligkeit eine Gegenleistung erbringen zu müssen. Ich sage nicht, dass Reziprozität immer schlecht sein muss, aber ich plädiere für ein wenig mehr Menschlichkeit, Offenheit und Nächstenliebe im täglichen Miteinander, privat genauso wie im Geschäftsleben.
Zu Zeiten meiner Ausbildung war es so, dass andere Banken oder externe Dienstleister uns jedes Jahr zu Weihnachten mit Geschenken wortwörtlich überhäuft haben. Haben sie das aus purer Nächstenliebe oder reiner Freundlichkeit getan? Nein, natürlich nicht. Im Gegenzug haben sie Geschäft und Umsatz im nächsten Jahr von uns erwartet. Dies war lange Zeit in vielen Branchen an der Tagesordnung. Dafür gibt es heute zum Glück klare Regeln und Richtlinien.
Versuch doch das Ganze mal aus einer etwas anderen Perspektive zu sehen: Warum macht man im Bus oder der Straßenbahn Platz für jemanden? Weil man dafür eine Gegenleistung erwartet? Nein, weil es einfach anständig und nett ist. Ich würde mir so eine Einstellung auch mehr im täglichen Miteinander wünschen.
Wie kannst Du Reziprozität richtig einsetzten?
Die Frage nach dem «wie setze ich das am besten um» erübrigt sich eigentlich. Ich denke, es ist in erster Linie eine Kopfsache und das Ausbrechen aus solch starren Vorstellung wie «ich tue Dir nur einen Gefallen, wenn ich auch etwas davon habe». Aus diesem Grund soll das hier auch keine «Schritt für Schritt» Anleitung sein, sondern vielmehr ein paar Punkte, die Dich ein wenig zum Nachdenken bringen sollen.
Menschen spiegeln sich
Übersetzt heißt das, wenn Du gütig, großzügig und nett zu Deinen Mitmenschen bist, so «spiegeln» sie dieses Verhalten automatisch. Das funktioniert ganz ohne Druck und aktivem fordern nach einer Gegenleistung oder eines Gefallens.
Vertraue Deiner Intuition
Eigentlich ist es doch simpel, wenn Du Dir folgende Frage stellst: Würde ich das auch für meine Frau, Mutter, Vater oder sonst jemanden der mir nahe steht tun, ohne eine Gegenleistung dafür zu erwarten? Ich denke, die Antwort liegt auf der Hand und gibt den Weg für einen gesunden Umgang mit Reziprozität vor.
Erfreue Dich am Erfolg Deiner Mitmenschen
Du darfst mich gerne altmodisch nennen, aber ich freue mich, wenn ich anderen Menschen helfen kann und ja, ich freue mich sogar für den Erfolg meiner Mitmenschen. Das (Geschäfts) Leben ist kein Wettbewerb, sondern vielmehr eine Reise, wo Dinge wie Achtsamkeit und Menschlichkeit mehr bedeuten als der schnelle persönliche Gewinn.
Wenn Dich das Thema interessiert und Du mehr über ein anderes, ein menschlicheres Miteinander erfahren möchtest, empfehle ich Dir meinen Beitrag «So einfach lernst Du aktives Zuhören».
Ein Plädoyer für mehr Menschlichkeit
Dieser Beitrag ist anders als alle, die ich bis jetzt veröffentlicht habe. Er ist weniger eine Anleitung als vielmehr ein Plädoyer für mehr Achtsamkeit und Menschlichkeit im gegenseitigen Umgang miteinander.
Versuch Dir einfach folgende Punkte im täglichen Miteinander immer wieder vor Augen zu führen:
Es kann sein, dass meine Ansicht altmodisch und nicht «karrierekonform» im klassischen Sinn ist, aber ganz ehrlich, es fühlt sich gut und richtig an. Versuch es doch auch einmal und wer weiß, vielleicht sind wir dann gar nicht mehr altmodisch, sondern unserer Zeit voraus.
Dein
Wie denkst Du über Reziprozität? Sind die beschriebenen Ansichten altmodisch und verklärt oder gerade heute so aktuell wie nie? Ich bin gespannt auf Deine Meinung und Erfahrungen, also schreib mir gleich einen Kommentar oder teile den Post mit Menschen, die das Thema ebenfalls interessiert.
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